Durch die Massnahmen ist hier mehr Ruhe spürbar, die Geräusche der Kinder erhellen die Strassen und Innenhöfe. Durch Corona hält die Welt hier den Atem an. Aber vieles soll und will und muss – manchmal auf Biegen und Brechen – im gleichen Rhythmus weiterlaufen wie bisher.
Ich sehe alles was gerade passiert – auch – als Chance einmal tief ein- und auszuatmen, die Augen etwas länger geschlossen zu halten, langsamer zu werden. Trotzdem ist die Energie der Betriebsamkeit und Schnelligkeit, die der Kapitalismus und eine von Männern dominierte Welt mit sich bringt, nicht einfach so weg von heute auf morgen.
LehrerInnen sollen – und manche wollen sicher auch – von Zuhause aus weiterarbeiten, die Angestellten im Kinderhort müssen Projektarbeiten schreiben. Und die von uns, die nicht arbeiten müssen, suchen sich durch Online-Angebote Ablenkung und Unterhaltung. Von der Stille. Von der Langsamkeit. Die auch Angst machen kann. Weil sie uns auf uns selbst zurück wirft.
Aber ist es nicht an der Zeit? Einmal tief ein- und auszuatmen? Haben wir es uns nicht verdient, langsamer zu gehen, oder weniger zu machen – und dafür (theoretisch) trotzdem genug zum Leben zu bekommen? Darf es auch einmal einfach genug sein – dürfen wir genug sein, ohne, dass wir immer etwas dafür leisten müssen?
Und, wenn uns das Alleinsein und die Entschleunigung Angst macht, dürfen wir vielleicht auch einfach einmal mit diesen Gefühlen sein (lernen). Anstatt immer nur zu rennen, zu tun – bis wir sterben. Am Virus oder später dann.
Vielleicht das erste Mal seit ich denken kann, bewege ich mich in meinem eigenen Rhythmus. Durch die Entschleunigung, die der Virus mit sich bringt, komme ich meinem Wesen näher, folge meiner ureigenen Bewegung von Aktivität und Ruhepausen.
Am Abend vor dem Bettgehen freue ich mich auf den nächsten Tag. Ich schlafe bis ich erwache. Ich trinke Tee und Saft, mache etwas Yoga, male, schreibe, tanze, übe für meine Psychologie-Prüfung Ende Jahr.
Auch bei mir zeigt sich manchmal Unsicherheit oder Angst. Oder Unbehagen, dass sich durch das Alleinsein und das Nichtstun bemerkbar macht. Und ich ertappe mich selber, wie ich mich dann durch übertriebene Aktivität ablenke – und auch das darf sein. Aber es ist auch ein tiefes Aufatmen spürbar, hier bei mir. Eine Dankbarkeit, jeden Tag langsam sein zu dürfen, wenn ich das will. Mich zu erholen. Endlich.
Mein Leben lang habe ich viel zu viel getan, gemusst, gewollt. In jedem Bereich meines Lebens. Bei der Arbeit und auch bei „der spirituellen Suche“. So wie die meisten von uns. Jetzt nutze ich diese Pause. Bald kommen meine Tage und ich bin unbeschreiblich dankbar, einfach im Bett bleiben zu dürfen und zu bluten.
Die Frau und alles „Weibliche“, das Sanft-Langsame, Empfangende, Nährende (das sind nur Worte, die andeuten!), wurde über undenkbar lange Zeit unterdrückt, im einzelnen Menschen, in der Frau und auch im Mann, wie auch im Kollektiven, in deiner Gesellschaft in der alles schnell und effizient und noch schneller gehen muss.
Diese Zeit ist – auch – eine Chance. Dir, mir und uns allen wünsche ich, dass jetzt und vielleicht auch nach der Krise, das Langsam-Weibliche, das Sanfte und trotzdem Tief-Leidenschaftlich Platz haben darf und wir vermehrt in unserem ureigenen Rhythmus leben dürfen.
Vielleicht ist diese Zeit – auch – eine Chance, langsamer und vermehrt nach innen zu gehen, zu überprüfen, wie wir unser Leben leben, was und wen wir uns darin wünschen, was wir fürchten und wonach wir uns sehnen.
Vielleicht ist es nun endlich einmal an der Zeit tief ein- und auszuatmen und die Augen etwas länger geschlossen zu halten.
