Heute bin ich aufgewacht und habe eine Kerze angezündet. Ich habe mich davor gesetzt und wie so oft habe beobachtet, was gerade da sein, sich zeigen will. Manchmal spreche ich laut dazu 😉 Der erste Satz, der heute kam, war: Ich habe Angst und die Menschen haben Angst.
Und diese Angst, über, für und mit der ich heute schreibe, ist namenlos – oder trägt alle erdenklichen Namen. Natürlich ist da die Angst vor dem Virus, vor Krankheit und vor dem Tod. Und gleichzeitig machen sich weitere Ängste bemerkbar, manche könnte man benennen, aber das ist nicht notwendig. Angst ist Angst ist Angst.
Und auch bei denen, die sagen, sie haben keine Angst, ist Angst. Vielleicht nicht direkt vor dem Virus. Und man kann sich mit Sprüchen und Techniken darüber stellen. Ich doch nicht. Aber in den meisten von uns ist Angst von Zeit zu Zeit als Gast zu Besuch.
Und es gibt tausendundeine Technik, Ratschläge, Aufrufe im Netz, was zu machen ist mit der Angst. Gehe ins Vertrauen, in die Liebe, komme ganz in deine Kraft. Undsoweiter. Ist nett gemeint und bestimmt ist das auch alles gut, aber wie geht man da vor? Reicht es, sich da täglich ein Mantra anzuhören, eine Affirmation niederzuschreiben, Yoga zu machen, zu beten? Reicht es sich selbst zu sagen: Ich habe keine Angst. Ich bin Liebe?
Ich praktiziere Yoga und ich schreibe und das, was ich tue, kann man auch beten nennen. Aber als ich heute die Angst, deine und meine, gefragt habe, was sie „braucht“, kam da als Antwort „nichts“.
Man muss Angst nicht verteufeln, sie nicht bekämpfen, sie nicht transformieren, sich nicht über sie stellen, nicht in ihr versinken, oder sich mit ihr identifizieren, sie nicht verleugnen und nicht vergrössern.
Angst ist Angst ist Angst. Und sie ist da. Jeden Tag.
Ich liege in meinem Bett, Wärmeflasche auf dem Bauch, Laptop auf den Knien, eine Tüte Chips neben mir. Ich schreibe für und über und – mit der Angst.
Ich muss mich nicht entscheiden: Für die Liebe oder für die Angst. Und wenn ich mich für die Liebe entscheide, bin ich die Gewinnerin und kann mein Potenzial leben und die Welt retten. Und wenn ich Angst habe, vor dem Virus oder vor einer Spinne, dann bin ich die Verliererin, die es einfach noch nicht gecheckt hat.
Ich muss mich nicht entscheiden; ich kann Liebe wählen und trotzdem Angst haben. Ich kann schreiben, mit der Angst und Yoga machen, in Liebe für alles, was ist, auch die Angst. Man muss die Angst nicht auszugrenzen und trotzdem passiert das automatisch immer wieder einmal. Man muss nicht extra in die Angst gehen oder ihr einen Platz geben. Aber man darf.
Wenn wir tiefer gehen, weiter werden – oder auch nichts tun und im Bett eine Tüte Chips essen – ist da genug Platz für die Angst und auch für die Liebe. Auch für die Enge, für das Nichtfühlen und Unterdrücken. Für Affirmationen und Klugscheisserei.
Es hat genug Platz. Für dich und mich, mit allem, was und wie es heute gerade ist. Und morgen ist es wieder anders.
Wie geht es dir heute? Wie steht es um deine Angst und was machst du damit?